Von Mähren bis Hürm

Bauern aus Mähren

Von 1880 bis 1910 übersiedelten mehrere Dutzend Bauernfamilien aus dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik in die Region Hürm und Mank im niederösterreichischen Alpenvorland. Die vor allem aus dem östlichen Mähren stammenden Familien kauften die meist verschuldeten Höfe, um hier ihre Landwirtschaft unter günstigeren Bedingungen fortzuführen. 1908 sollen bereits über 60 Höfe übernommen worden sein.

Beschreibung

Bauernhof der Familie Gric

Tschechische Kultur

1919 wurde in Inning bei Hürm ein tschechischer Verein „Mank und Umgebung“ zur Bewahrung der tschechischen Kultur gegründet. Auf dem Bauernhof des Josef Gric in dem kleinen Ort Loitsdorf bei Mank gelangten tschechische Theaterstücke und Volkslieder zur Aufführung. Nach 1945 haben sich wieder einige Musikanten aus tschechischen Migrantenfamilien zusammengefunden, die oft „aus dem Gnack“, wie man in der Musikantensprache sagte, also ohne Noten aufspielten. Musiziert wurde bei Bällen, Hochzeiten und Dorffesten. Bei den Dreschertänzen im Herbst wurde auf den Körnerböden oft bis in die Nacht durchgetanzt. Die Filmchronisten haben den heute leer stehenden Bauernhof aufgesucht, zwei Zeitzeugen erinnern sich an dieses vergessene Kulturzentrum der tschechischen Minderheit.

Aus dieser Zeit ist ein Hirtenlied mündlich überliefert. Eva Buchinger aus Weinburg, eine Enkelin von Josef Gric, kann dieses 5-strophige Lied, das von walachischen Schafhirten beim Stall vom Betlehem handelt, noch singen. Die Filmchronisten haben dieses tschechische Volkslied dokumentiert

Fast vergessene Kinderlieder

Der Regionalforscher Bernhard Gamsjäger verfolgt seit vielen Jahren die Spuren der alten Volksmusik im Ötscher:Reich. Zu seiner Überraschung wurde er in der eigenen Familie fündig: Liane Gamsjäger hat nämlich ein tschechisches Kinderlied von ihrer Großmutter Anna Mestanek übernommen, die noch vor dem Ersten Weltkrieg aus einem Dorf bei Brünn nach Bischofstetten gekommen war. Wie Eva Buchinger hat auch sie das Lied in der Kindheit nur phonetisch wahrgenommen, ohne den Text in tschechischer Sprache zu verstehen. „Damit es nicht verloren geht“, lautet das Motto der Filmchronisten. Die Filmaufnahmen dokumentieren die nur mündlich überlieferte und fast schon vergessene tschechische Volksliedtradition im Mostviertel.

Buchtipp: Von Mähren nach Hürm. Tschechische Migration und Remigration in der Region Hürm zwischen 1890 und 1930 (von Martin Bauer, Rita Garstenauer, Niklas Perzi, Michael Resch)

Film: Videolounge

Text: Ernst Kieninger